01.06.2016

Jahresbericht 2015

Hallo zusammen!

Zwergammer, beringt am 07.11.2015 - eines der Highlights des Jahres 2015.
Dritter Nachweis im Saarland nach den beiden Fängen 2001 bzw. 2011.
Mit einiger Verspätung, aber dafür umso umfangreicher folgt der angekündigte Jahresbericht 2015 der NABU-Beringungsstation. Wir blicken zurück auf eines der erfolgreichsten Jahre unserer Arbeit, das nur durch den ehrenamtlichen Einsatz zahlreicher Personen möglich war. Neben der Fortsetzung unserer langjährigen Erfassungsprogramme stand 2015 im Zeichen einiger Veranstaltungen an der Beringungsstation. Auch die pädagogische Arbeit, seit jeher ein großes Anliegen unseres Teams, konnte erfolgreich fortgesetzt werden.


Überblick über die Tätigkeit 2015

Netzschneise mit einigen gefangenen Vögeln.
An Massentagen des Herbstzugs sind 20 Fänglinge pro
Netz möglich. Bei 40 Netzen sollten idealerweise 6-7
Personen mithelfen. Nur selten war dies 2015 gegeben.
Die personelle Lage an der NABU Beringungsstation "Mittleres Saartal" war zum Jahreswechsel 2014/15 äußerst angespannt. Der Kern der NABU Beringungs-AG, welche die Station betreut, ist auf sechs Personen geschrumpft, von denen drei nur noch selten die Zeit für lange Beringungsaktionen aufbringen können. Dementsprechend fehlten bis zu fünf Beringungshelfer, was sich insbesondere an den stärksten Tagen des Jahres zeigte. Die Zielsetzung 2015 lag aus diesem Grund auch primär auf der bestmöglichen Fortführung der drei Erfassungsprogramme (Brutzeit, Frühjahrszug, Herbstzug), mit einem Fokus auf dem Herbstzug, der die individuenstärkste und artenreichste Phase des Jahres ist.

Das Ergebnis eines einzigen Rundgangs im August:
Ca. 150 Fänglinge warten in Stoffsäckchen an der
Beringungsstation auf die Beringung.
Insgesamt wurde an 141 Tagen des Jahres beringt, an den meisten davon nicht ganztägig. Der gesamte Zeitaufwand betrug zusammengerechnet ca. 1.700 Stunden, was in Vorjahren oft deutlich übertroffen wurde.Trotz der reduzierten zeitlichen Abdeckung gelang das zweitstärkste Fangergebnis nach dem Rekordjahr 2010. Dies lässt sich nicht zuletzt durch die große Anzahl an Massenzugtagen begründen. Ganze zehn Mal wurde die Marke von 250 Neuberingungen an einem Tag geknackt, fünf Mal davon waren es sogar über 300 Individuen. Der stärkste Fangtag im vergangenen Jahr war der 29.08.2015 mit 385 gefangenen Individuen (Beringungen + Kontrollfänge). Erwähnenswert ist hier auch eine extrem starke Zugwelle Ende Oktober, was in dieser Ausprägung so bislang einmalig war: 327 Individuen konnten z.B. am 24.10.2015 gefangen werden, der stärkste Tag, der je im Oktober registriert wurde.

Hier eine Zusammenfassung der Ergebnisse des letzten Jahres:
  • 10.088 Individuen beringt
  • 83 Arten beringt
  • 2.730 Kontrollfänge bereits beringter Vögel
  • 274 Altfänge (beringt vor 2015) 
  • 34 Fremdfänge anderer Beringer) u.a. aus Schweden, Norwegen, Finland, Litauen, u.v.a.


Veranstaltungen/Pädagogische Arbeit 2015

Bei den ca. 20 Beringungsvorführungen 2015 konnten vor
allem Kinder und Jugendliche einen Einblick in die
Artenvielfalt im IKEA-Biotop gewinnen
Seit Bestehen der NABU Beringungsstation wird neben der wissenschaftlichen Tätigkeit vor allem auch Umweltpädagogik betrieben, um insbesondere bei Kindern und Jugendlichen ein Bewusstsein für die heimische Natur und Artenvielfalt zu schaffen. Doch auch Erwachsene wurden im Rahmen der ca. 20 (!) Beringungsvorführungen des vergangenen Jahres über die Arbeit unseres Teams informiert. Darüber hinaus sind einige Veranstaltungen erwähnenswert, an denen das Team der Beringungsstation mitwirkte bzw. die direkt von uns organisiert wurden:

Hoher Besuch zum Tag der Artenvielfalt 2015:
Der saarländische Umweltminister Reinhold Jost (r.) stattete
der Beringungsstation einen Besuch ab.
Den Anfang machte der GEO Tag der Artenvielfalt vom 26.06.-27.06.2015, wir berichteten. Diese alljährliche Veranstaltung, organisiert durch die Delattinia (Naturforschende Gesellschaft des Saarlands), fand 2015 in Saarlouis statt, der ornithologische Teil wurde an der Beringungsstation ausgegliedert. Erwähnenswert ist auch die Durchführung eines Erlebniscamps für Kinder und Jugendliche, an dem das Team der Beringungsstation mitwirkte.

Die einzige Veranstaltung außerhalb der Beringungsstation fand am 22.07.2015 im Rosseltal bei Großrosseln statt. Dieses ehemals durch die Folgeschäden des Bergbaus geprägte Flusstal wurde bis 2005 aufwendig durch die RAG AG in Kooperation mit NABU und dem Umweltministerium des Saarlands renaturiert. Zum 10-jährigen Jubiläum des erfolgreichen Abschlusses der Arbeiten wurde im Rahmen einiger Vorführungen die wieder vorhandene Artenvielfalt gefeiert. Das Team der Beringungsstation beteiligte sich mit einer mobilen Beringungsaktion.

Bei einer mobilen Beringungsaktion im Rosseltal zwischen
Ludweiler und Großrosseln gelang u.a. auch ein Kontrollfang
eines in Saarlouis-Lisdorf beringten Eisvogels.
Wie in den Vorjahren gab es auch am 30.08.2015 wieder einen Tag der offenen Tür der Beringungsstation, an dem trotz Temperaturen von über 35 °C knapp 200 Besucher den Weg zu uns fanden, siehe auch unser Bericht dazu. Auch 2016 ist wieder ein Tag der offenen Tür geplant.

Ein Novum gab es am 10. und 11.10.2015 mit einem Seminar für Beringer. In Kooperation mit dem Proring e.V. wurde unter dem Titel "Alters- und Geschlechtsbestimmung an Singvögeln" ein praktischer Workshop an der Beringungsstation veranstaltet, zu dem eine kleine Gruppe von 10 Beringern aus ganz Deutschland angereist war. Einen Bericht zu dieser Veranstaltung gibt es hier.


Zum Zustand des IKEA-Biotops

Die 2014 umgestaltete Flachwasserzone entwickelte
sich zunehmend positiv. Bei fallendem Wasserstand
wurden zahlreiche Vögel bei der Nahrungssuche an den
Schlickflächen und Wasserlachen beobachtet.
Die NABU Beringungs-AG betreut neben der Beringungsstation auch das dazugehörige Projektgebiet des sogenannten IKEA-Biotops, welches in das "Natura 2000"-Schutzgebietsnetz integriert ist. Neben der Begutachtung des Zustands werden auch Pflegemaßnahmen durchgeführt, die den Charakter des Gebiets erhalten sollen.

Seit der Schaffung des IKEA-Biotops 1997 ist das Gebiet einem stetigen Wandel unterworfen. Das ursprüngliche Konzept einer offenen Wasserfläche mit Schilf- und Seggenflächen ist bis heute noch in weiten Teilen erhalten geblieben, jedoch gibt es auch Probleme, die auf längerfristige Sicht diesen Zustand gefährden: Verlandung und Sukzession (= Fortschreiten der Vegetation).

Bruchwasserläufer, beringt am 22.08.2015
Durch lange Trockenheit fielen große Teile der Wasserfläche
trocken, was für Watvögel jedoch auch eine willkommene
Rastmöglichkeit darstellte.
Durch Biomasseeintrag und fliegende Sedimente nahe gelegener Baustellen verlandete die Wasserfläche über Jahre hinweg zusehends. Das IKEA-Biotop als künstlich geschaffene Ausgleichsfläche ist ferner auch nicht den natürlichen Hochwässern unterworfen, diese werden durch die Kanalisierung der Saar und die nahe gelegene Staustufe verhindert. Daraus resultierend sank die Wassertiefe in gerade einmal fünf Jahren von ehemals ca. 1,50 m auf nur noch 1 m ab. Besonders deutlich wurde dies zum extrem niederschlagsarmen Hochsommer 2015, als zum ersten Mal seit Bestehen des Gebiets große Teile der Wasserfläche trocken fielen. Aus unserer Sicht ist hier in absehbarer Zeit ein Eingriff mit schwerem Gerät unausweichlich, um durch Abtrag von Erdmassen die Wasserfläche wieder zu vertiefen.

Das IKEA-Biotop im Juni 2015 - Speziell in den trockeneren Bereichen des
Schilfgürtels sind in den vergangenen Jahren vermehrt Weiden herangewachsen,
die es in den kommenden Jahren in Pflegemaßnahmen zu entfernen gilt.
Die Vegetation im IKEA-Biotop ist naturgemäß äußerst vielseitig, da im Gebiet lokal die Bedingungen in Feuchtigkeit, Nährstoffreichtum und Exposition stark variieren. Neben Schilf und Feuchtgräsern gibt es auch trockenere Wiesenflächen, Hecken und Gebüsche sowie auwaldähnliche Bereiche mit Erlen und Weiden. Speziell in den letzten Jahren ist mit der zunehmenden Verlandung auch ein deutlicher Aufwuchs von Gehölzen inmitten des Schilfs zu bemerken. Einige Teile des Schilfgürtels wurden sukzessive von Weiden verdrängt, auch die einzige große Rohrkolbenfläche des Gebiets ist durch neu aufwachsende Jungweiden bedroht. Eine dauerhafte pflegerische Betreuung der betroffenen Bereiche ist aus unserer Sicht die einzig sinnvolle Maßnahme, um einen Strukturverlust zu verhindern. (Anm.: Anfang 2016 wurde wieder eine Pflegemaßnahme durch das Team der Beringungsstation durchgeführt!)

Umgeknickter Altschilf im Februar 2015
Die Folgen dieser wetterbedingten Schäden waren noch bis
zum Herbstzug anhand der Beringungsdaten messbar.
Weiterhin wurden im Winter 2014/15 massive Schäden am Bestand des Altschilfs festgestellt. Offenbar durch Stürme und Frost waren knapp 20% der Schilffläche in Bodennähe abgeknickt, was mit einem Verlust an Nist- und Rastplätzen für Feuchtgebietsvögel einherging (siehe wissenschaftliche Ergebnisse). Im Laufe des Jahres regenerierte sich der Schilfgürtel wieder deutlich, so dass wir keine Folgeschäden für die nächsten Jahre erwarten.


Wissenschaftliche Ergebnisse

Besondere Nachweise 2015

Die Krickente konnte erst zum zweiten Mal
im IKEA-Biotop gefangen werden
Unter den mehr als 10.000 neu beringten Vögeln des vergangenen Jahres waren auch zahlreiche Seltenheiten. Wir freuen uns vor allem über zwei Drittnachweise und zwei Viertnachweise für das Saarland und einen interessanten Hybriden.

Beginnen möchten wir diesen Abschnitt jedoch mit zwei eigentlich recht häufigen Arten, die jedoch beide erst ein einziges Mal von uns beringt werden konnten: Die Krickente und der Mittelspecht. Bei beiden gelang 2015 der jeweils zweite Fang im Gebiet. Der Mittelspecht als Bewohner älterer Laubwälder wurde als biotopfremde Art 2007 erst ein einziges Mal im Gebiet nachgewiesen, damals ebenfalls durch Fang und Beringung. Krickenten sind zwar häufiger im Biotop zu beobachten, werden aber aufgrund ihrer Größe in aller Regel nicht gefangen.

Hybrid Rauch- X Mehlschwalbe
Ein Massenzugtag der Rauchschwalbe bescherte ein weiteres Highlight des vergangenen Jahres. Am 28.08. konnte die Rekordzahl von 243 Rauchschwalben beim Schlafplatzanflug gefangen und beringt werden, soviele wie nie zuvor an einem einzigen Tag. Darunter befand sich neben einen Fremdfang der Vogelwarte Brüssel auch ein Hybrid aus Rauch- X Mehlschwalbe. Dieser Mischling zeigt intermediäre Maße und Merkmale beider Arten, wie den braunen Kehlfleck der Rauchschwalbe und den weißen Bürzelfleck sowie die befiederten Füße der Mehlschwalbe. Dieser Hybrid ist in der Literatur bereits bekannt und tritt regelmäßig, aber nur in geringer Zahl auf. Im IKEA-Biotop ist dies bislang aber der einzige Nachweis.

Sprosser, beringt am 22.08.2015. An diesem Tag konnten
sogar beide Individuen im Biotop nachgewiesen werden.
Mit gleich zwei Sprossern gelangen im vergangenen Jahr der Dritt- und Viertnachweis dieser Art für das Saarland (16.08., 22.08.). Dieser östliche Verwandte der Nachtigall wurde bereits zwei Mal im IKEA-Biotop gefangen und beringt, 2015 gab es nun sogar zwei Exemplare in einem Jahr. Besonders interessant war auch die lange Verweildauer eines Individuums im Saarland, das von 16.08.-08.09. anwesend war. Der Einflug dieser östlichen Art war auch überregional zu bemerken, z.B. konnte ebenfalls am 22.08. in Schifflange/Luxemburg ein Sprosser gefangen und beringt werden, ein Erstnachweis für das Großherzogtum.

Gelbbrauen-Laubsänger, beringt am 11.10.2015
Nach den beiden Nachweisen des letzten Jahres das
dritte Exemplar für die NABU Beringungsstation
Ein weiterer saarländischer Drittnachweis gelang unerwartet fast schon zum Saisonende am 07.11.2015 mit einer Zwergammer (Foto s.o.). Nach den beiden Fängen 2001 und 2011 ist dies schon der dritte Nachweis dieser Art für das IKEA-Biotop.

Last but not least wurde am 11.10.2015 erneut ein Gelbbrauen-Laubsänger gefangen. Nach den beiden Fängen 2014 ist dies der dritte Nachweis im Gebiet und der vierte Nachweis für das Saarland - allesamt durch Beringung erbracht!


Häufige Arten - Gewinner und Verlierer

Seit jeher sind häufige Arten im IKEA-Biotop von großem wissenschaftlichen Interesse, da diese Daten weniger methodischen Schwankungen zwischen den Jahren unterworfen sind. Daraus resultierend lassen sich Fangzahlen sehr häufiger Arten als Indikator für Veränderungen des Gebiets heranziehen. Der kurzfristige Verlust an Schilfgebieten im Winter 2014/15, aber auch der langfristige Wandel in der Vegetation (siehe "Zum Zustand des Biotops") schlugen sich im vergangenen Jahr  deutlich auf die Beringungszahlen dieser Arten nieder.

Die Top-4-Arten 2015 - Gewinner und Verlierer:
Teichrohrsänger (o.l.) und Rohrammer (M; o.r.) nehmen ab,
Mönchsgrasmücke (M&W; u.l.) und Rotkehlchen (u.r.) mit
Zugewinnen gegenüber 2014
Die bemerkenswerteste Entwicklung gab es aus unserer Sicht an der Spitze: Zum ersten Mal seit Beginn der Beringungstätigkeit im Gebiet ist die häufigste Art des Jahres keine Feuchtgebietsart! Diesen Titel gibt es 2015 für die Mönchsgrasmücke, welche den Teichrohrsänger, der knapp 20% der Fangzahl gegenüber 2014 einbüßt, auf Platz zwei verdrängt.

Auf den Plätzen drei und vier landen das Rotkehlchen und die Rohrammer. Auch hier ist zu bemerken, dass die Rohrammer enorme Verluste zum Vorjahr zeigt, was jedoch auch teilweise durch die geringere Zahl an Fangtagen 2015 zu begründen ist.

Bereits seit Jahren beobachten wir die starke Zunahme von Grasmücken im IKEA-Biotop. In der Saison 2015 setzte sich dieser Trend fort und es gab wieder Rekordzahlen bei Mönchs-, Dorn- und Klappergrasmücken. Die vorwiegende Ursache ist hier wohl ebenfalls die eingangs erwähnte Sukzession:  Grasmücken bevorzugen Lebensräume mit Hecken, auch für ihre Rast. Mit dem Aufkommen immer größerer Gebüsche steigt auch die Zahl der rastenden Grasmücken. Die gleiche Entwicklung deutet sich im Übrigen auch im Brutbestand des IKEA-Biotops an (siehe Ergebnisse Brutzeit).

Fangzahlen der vier Grasmückenarten im IKEA-Biotop und Trends (rot: Jahresrekord)
Die Fotos zeigen Mönchsgrasmücke (M; o.l.), Garten-, Dorn- und Klappergrasmücke (u., v.l.n.r.)

Mittelhäufige Arten - Ein Überblick 
 
Waldarten wie der Waldbaumläufer zeigten 2015 einen
überdurchschnittlich starken Zug im IKEA-Biotop.
Für viele Arten zeigte sich 2015 keine signifikante Abweichung zu den Vorjahren, bemerkenswert war jedoch das invasionsartige Auftreten zahlreicher Waldvogelarten im IKEA-Biotop. Nachdem 2010 bereits ein Einflug von typischen Waldvögeln dokumentiert wurde, gab es im vergangenen Jahr ebenfalls ein solches Phänomen. Allen voran die oben erwähnten Rotkehlchen, aber auch Blau-/Kohl- und Tannenmeisen wurden zum Herbstzug von Mitte September bis Ende Oktober in großer Zahl beobachtet und teils auch gefangen und beringt. Auch ganze vier Waldbaumläufer konnten beringt werden, mehr als in allen vorangegangenen Jahren zusammen. Interessant in diesem Kontext war auch der Fremdfang einer Kohlmeise aus Litauen, der aufzeigt, welche Zugstrecken von diesen teilziehenden Populationen zurückgelegt werden.

Das häufige Auftreten der Beutelmeise 2015 deutet auf ein
gutes Brutjahr dieser Art in den Brutgebieten hin. Im
Saarland ist diese Art nur noch zur Zugzeit anzutreffen.
Ein herausragendes Fangjahr konnte bei den Beutelmeisen verzeichnet werden, mit 103 Neuberingungen. Die Beutelmeise ist im IKEA-Biotop die Art mit der höchsten Quote an Fremdfängen, im Schnitt ist eine von 14 Beutelmeisen bereits anderenorts beringt worden, was in dieser Höhe einmalig ist! Auch 2015 wurden neben den Neuberingungen ganze 13 Fremdfänge (11x Paris, 2x Hiddensee) registriert. Wir vermuten hinter der hohen Zahl an Fänglingen einen guten Bruterfolg dieser Art im vergangenen Jahr.

Eisvögel sind mittlerweile fast ganzjährig im IKEA-Biotop
anzutreffen. An Spitzentagen wurden 2015 bis zu sieben
verschiedene Individuen festgestellt.
Eine weitere Art mit erstaunlichen Zugewinnen ist der Eisvogel, der ganze 62 Mal beringt werden konnte. Teilweise wurden sieben verschiedene Exemplare an einem Tag im gerade mal fünf Hektar großen Gebiet festgestellt. Dies demonstriert eindrucksvoll die Bedeutung des IKEA-Biotops für diese Art. Interessant war auch der Kontrollfang eines von uns beringten Eisvogels während der mobilen Beringungsaktion im Rosseltal, was die noch vorhandene Vernetzung der punktuellen Feuchtgebiete im größtenteils durch Siedlung und Industrie geprägten Saartal aufzeigt.

Ein weniger erfreulich Bild zeigte sich bei der Uferschwalbe, einem der größten Verlierer der letzten Jahre. Bereits seit 2011 verzeichnen wir einen kontinuierlichen Abfall der Fangzahlen bei vergleichbarer Fangintensität. Die Gründe dahinter liegen wohl im bundesweiten Trend dieser Art, die überall mit starken Abnahmen im Bestand zu kämpfen hat, nicht zuletzt durch Lebensraumverlust. Im vergangenen Jahr wurden an der Beringungsstation lediglich drei Individuen gefangen!

Fangzahl der Uferschwalbe seit 2009

Projektarten Feldlerche und Fitis

Bei den Feldlerchen gab es das zweitstärkste Fangjahr
seit Beginn der systematischen Erfassung 2012.
Auch den ersten Wiederfund gibt es zu verzeichnen.
Die seit 2012 laufende Erfassung des Herbstzugs der Feldlerche wurde auch 2015 fortgeführt. Mit 103 beringten Individuen wurde dabei die zweitstärkste Saison registriert. Die stärkste Zugnacht des vergangenen Jahres fiel auf den 23. und 24.10. mit 57 Fängen. Mit zwei Jahren Verzögerung erreichte uns auch die erste Fundmeldung des Projekts, die einen knappen Monat nach der Beringung im IKEA-Biotop in SW-Frankreich tot aufgefunden wurde.

Fitis, ssp. trochilus, adult.
Trotz weißem Bauch sind deutlich gelbe Strichelan
der Unterseite zu erkennen.
Im vergangenen Jahr widmete sich die Beringungsstation besonders der Projektart Fitis, da hier eine große Diskrepanz in der Altersstruktur offensichtlich wurde: Gewöhnlich ist der überwiegende Teil der Fänglinge im Herbst Jungvögel, da pro Brutpaar in der Regel mehr als zwei Jungvögel flügge werden. Beim Fitis zeigt sich jedoch ein umgekehrtes Bild, mehr Alt- als Jungvögel. Wir vermuteten dahinter zum Teil auch einen Fehler unsererseits bei der Altersbestimmung: Diese wird beim Fitis vor allem an der Färbung der Unterseite festgemacht, es gilt: Helle Unterseite: adult, gelbe Unterseite: juvenil. Die Gefahr bei dieser Form der Altersbestimmung: Auch die nordische Unterart acredula zeigt eine aufgehellte Unterseite! Ob und wie häufig sie auftritt war eine Fragestellung des Projekts.

Einer von ca. 10 Fitissen mit Merkmalen der ssp. acredula
Gefangen und beringt am 26.09.2015.
Die Unterseite wirkt hier fast weiß, die Kehle ist nur leicht
gelblich überhaucht, ohne Strichelung.
Weiterhin waren auch die genauen Zugzeiten des Fitis im Saarland interessant, speziell im Hinblick auf das Ende des Durchzugsfensters. Hier gab es in der Vergangenheit einige Meldungen später Fitisse Mitte bis Ende Oktober, hinter denen wir jedoch blasse Zilpzalpe (Unterarten abietinus/tristis) vermuten. In aller Regel liefern die Beringungsdaten der Station die spätesten Nachweise einer Art im Saarland, bislang konnten von uns jedoch keine Exemplare nach dem 10. Oktober festgestellt werden.

Die Ergebnisse des Fitis-Projekts sind aus unserer Sicht sehr erfreulich: Ganze 190 Individuen konnten 2015 gefangen und beringt werden, darunter ca. 10 Individuen mit Merkmalen der Unterart acredula. Zur endgültigen Beurteilung sollen die angefertigten Dokumentationsaufnahmen noch Experten vorgelegt werden. Bezüglich der Zugzeiten bestätigte das Projekt die Vermutungen der Vorjahre: Der 10. Oktober ist eine magische Grenze für das Auftreten dieser Art. Spätere Beobachtungen sollten daher ohne Dokumentation kritisch beurteilt werden.

Fangzahl von Fitis und Zilpzalp nach Monatsdekade und relativer Anteil beider Arten.
Ab Mitte Oktober (OK2) wurden keine Fitisse mehr festgestellt.
(Datengrundlage 2006-2015)

Brutzeit 2015 - Kurzergebnisse

Zwergtaucher im Prachtkleid
2015 gab es Brutverdacht für diese Art im IKEA-Biotop
Die seit 2007 laufende, systematische Erfassung des Brutbestands im IKEA-Biotop wurde auch 2015 wieder durchgeführt. Fragestellungen dieses Projekts sind vor allem die Artzusammensetzung und genaue Revierzahlen der Brutvögel, daneben sind auch Bruterfolg und Standorttreue der Brutvögel von Bedeutung. Die Methodik der Brutzeiterfassung richtet sich größtenteils nach den Standards des Integrierten Monitorings von Singvogelpopulationen (IMS), zur Auswertung der Daten im Hinblick auf Revierzahlen wird eine selbst definierte Methodik herangezogen, wie hier beschrieben.

Im vergangenen Jahr wurden dabei durch Beringung und Beobachtung 25 sicher brütende Arten im und um das IKEA-Biotop festgestellt. Für 10 weitere Arten besteht Brutverdacht. Das Artenspektrum wurde dabei durch den Zwergtaucher als brutverdächtige Art um eine Art erweitert. Der Feldschwirl hingegen, der bis 2013 noch alljährlicher Brutvogel im Gebiet war, konnte auch 2015 wie schon 2014 nicht mehr als Brutvogel nachgewiesen werden.

Orpheusspötter zeigen eine Reaktion auf die fortschreitende
Vegetation im IKEA-Biotop: Ihre Reviere verschieben sich
Ähnlich der Fangzahlen von Rastvögeln zum Zug zeigen auch die Brutbestandszahlen vieler Arten  im vergangenen Jahr einen eindeutigen Trend an: Das IKEA-Biotop verbuscht. Zum ersten Mal  überholten die "Heckenbewohner" die typischen Feuchtgebietsarten in der Zahl der Reviere (siehe auch die letzte Grafik des verlinkten Beitrags). Auch hieran lässt sich wieder dokumentieren, wie stark sich der Wandel in der Vegetationsstruktur im IKEA-Biotop fortsetzt. 

Eine interessante Art zur Dokumentation dieses Prozesses ist auch der Orpheusspötter, der im Saartal ein mittelhäufiger Brutvogel ist. Er bevorzugt ein gewisses Sukzessionsstadium einer Gebüschlandschaft als Brutplatz und gibt ein Revier auf, wenn die Vegetation zu hoch und dicht wird. Im IKEA-Biotop gibt es traditionell 2-4 Reviere pro Jahr, die sich gerade in den letzten Jahren deutlich räumlich verschieben. Auch dies belegt die andauernde Entwicklung im Gebiet.
Ferner gab es bei den Teichrohrsängern einen Bestandseinbruch auf 15 Paare, dem tiefsten Stand seit Beginn der Erfassung. Diese kurzfristige Entwicklung lässt sich durch die Schädigung des Altschilfs (s.o.) erklären, da Teichrohrsänger zum Nestbau auf vorhandene Altschilfbestände angewiesen sind.

Brutbestand des Teichrohrsängers im IKEA-Biotop
2015 wurde mit 15 Brutpaaren der niedrigste Stand verzeichnet.
Dies ist vorwiegend durch die Winterschäden am Altschilf zu begründen.

Fazit

Die NABU Beringungsstation "Mittleres Saartal" hat 2015 in tausenden ehrenamtlichen Stunden wieder wertvolle Daten zum Bestand der Vogelwelt im Saarland wie auch überregional erhoben. Die Station ist im Verbund der Beringer Deutschlands mittlerweile eine etablierte Größe und die größte ehrenamtlich geleitete Station Deutschlands. Der Fortbestand dieses Monitoringprojekts für die Vogelwelt ist unser vorrangiges Ziel für die nächsten Jahre.

Die 2015 erhobenen Daten konnten dabei sowohl subjektive Bestandseindrücke bestätigen, aber vor allem auch einige Wissenslücken schließen, z.B. bzgl. des Fitis. Ähnliche Projekte in der Zukunft sind geplant. In den kommenden Jahren sollen die bislang gewonnenen Ergebnisse auch in Form mehrerer Publikationen veröffentlicht werden.

Trotz der Freude über das vergangene Beringungsjahr und die interessanten Fänge und Ergebnisse muss auch auf die Probleme im IKEA-Biotop hingewiesen werden: Das Gebiet verändert sich rasant und läuft Gefahr, in wenigen Jahren seine Gestalt radikal zu verändern. Wir hoffen, in Kooperation mit den Behörden den gesetzlich verankerten Schutz des Schilfgebiets durch zielgerichtete Pflege- und Gestaltungsmaßnahmen gewährleisten zu können. Hierbei sind wir jedoch auch auf behördliche Unterstützung und Finanzierung angewiesen.

Auch 2016 wird die Arbeit an der Station fortgeführt, mit hoffentlich ebenfalls spannenden Ergebnissen.

DANKE

Das Team der NABU-Beringungsstation
(V.l.n.r.: Marius Nicklas, Sebastian Kiepsch, Katharina Klein,
Pierre Geller, "Altmeister" Lothar Hayo und Rolf Klein)
An dieser Stelle möchten wir nur noch ein großes Dankeschön sagen: Allen Beringern und Beringungshelfern, allen Freunden und Förderern, allen Spendern und Geldgebern, allen Fürsprechern und Unterstützern des Projekts und allen, die egal wie im letzten Jahr zur Arbeit an der Station beigetragen haben. Ohne eure Unterstützung wäre dieses Projekt nicht möglich!

Namentlich seien hier der NABU Landesverband Saar e.V., der Ornithologische Beobachterring Saar e.V., SaarToto und das Zentrum für Biodokumentation genannt.

Im Namen der gesamten Beringungs-AG,

Sebastian Kiepsch

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